Was ist Gott? – Unabhängig davon, ob man an Gott glaubt und ob er existiert, ob man Theist oder Atheist ist, wie viel Naturwissenschaft, Religion und Philosophie man als Beleg für oder wider ihn heranzieht, so finden sich in der Menschheitsgeschichte immer wieder Menschen, die Gott erfahren haben. Seien es Mystiker, Heilige, Yogis oder Psychonauten. Die Antwort auf die Frage was Gott ist, ist daher eng mit der Frage verknüpft, wer er ist, wo er wohnt und wie er erfahrbar ist.
Was ist die Ur-Essenz?
Nimmt man Gott als Urgrund an, als Schöpfergott, als Urquelle, so besteht innerhalb des linearen Zeitbegriffes des Menschen das Problem der „zeitlichen Geburt“, denn was „vor“ ihm war, wäre somit unbekannt oder impliziert, dass es etwas noch Größeres als das uns vorstellbar Absolute gäbe … Daraus folgt, dass Gott außerhalb Raum und Zeit stehen muss, andernfalls wäre er nicht absolut.
Nimmt man Gott als „Alles was ist“ an, wie es häufig geschieht, so ist dies zunächst eine oberflächliche Betrachtung, die ohne Kontext mehr oder minder undefiniert ist. Wenn er „Alles was ist“ ist, wer war er dann, bevor er Schöpfergott war, zu einer „Zeit“, wo noch nichts „war“?
Dem Raum-Zeit-Begriff enthoben ließe sich sagen, Gott ist „Alles was ist“ und zugleich „Alles was nicht ist“, sowie, dass er weniger Urprinzip, als ein sich ewig neu gebärendes, ausbreitendes Wesen ist, ohne zeitlichen Anfang und ohne zeitliches Ende, daher ein alldurchdringendes (das All durchdringende) und immerwährendes Wesen.
Wer ist das Absolute?
Ist Gott eine Person oder eine Kraft? Ist er ein liebevoller Freund oder eine unpersönliche Energie? Auch hier gibt es innerhalb der Religionen und Philosophien verschiedene Anschauungen. Im Bhakti-Yoga (Weg der liebenden Hingabe), sowie im Christentum z. B. wird Gott als männliche Person angesehen, im ersten Fall u. a. als Krishna, im anderen Fall als Jahwe. Wiederum schließt jedoch eines das andere nicht aus, da er zugleich Person und unpersönliche Energie ist.
Lokalisation des Logos
In der für uns sinnlich wahrnehmbaren Welt „wohnt“ Gott zunächst in den heiligen Bauten, in Pilgerorten, Kraftorten, in den heiligen Schriften, wie der Bibel, der Yoga Sutra, der Bhagavad Gita, den Upanishaden. Er wohnt in Kirchen und Ashrams, in spiritueller Musik, spirituellem Tanz und spiritueller Kunst.
Er wohnt aber auch in heiligen Menschen, in Mystikern und in erleuchteten Menschen wie, um nur einige wenige zu nennen, Meister Eckhart (1260 – 1328), Hildegard von Bingen (1098 – 1179), Bruno Gröning (1906 – 1959), Chaitanya Mahaprabhu (1486 – 1533), Shankaracharya (788 – 820).
Aber Gott „wohnt“ auch in der Natur, im Wald, in den Bergen, sowie in den Herzen der Menschen und in den Aufgaben, die jeder Mensch auf Erden zu erledigen hat.
Grundsätzlich, von der sinnlich wahrnehmbaren Welt betrachtet, kann jeder Mensch seine eigene Präferenz als (Gott-)Indikator verwenden und sich fragen: Wo wohnt er für mich? Wo fühle ich mich ihm am nächsten?
Jesus sagte: „Das Königreich Gottes ist mitten unter euch. Er ist überall.“
Auch hierin verbirgt sich m. E. weniger die Aufforderung, das Transzendente hinter Atomen, in schwarzen Löchern, in Science Fiction oder jenseits der Exosphäre zu suchen, als fühlend und wahrnehmend in allen Erscheinungen der Welt. Letztlich ist Gott allgegenwärtig, allmächtig und allwissend.
Innen oder Außen?
Wie eingangs erwähnt, ist Gott allen Dingen und Wesen immanent (innewohnend). Er ist der manifestierte Aspekt der Welt sowie gleichzeitig der transzendente (übernatürliche) Aspekt der Welt.
Das heißt: Er existiert in allem und alles existiert in ihm.
Bäume, Tiere, Natur, Menschen existieren in Gott und er existiert in Bäumen, Tieren, der Natur, den Menschen …
Essenz aller Wesen und der Materie
Man kann in sich selbst das Göttliche sehen und in jedem anderen. Doch Gott ist nicht limitiert auf die Person oder auf die Individualität einer anderen Person. Er ist in jedem, aber die Beschränkung auf die Individualität ist Illusion. Jeder ist in ihm und gleichzeitig nicht in ihm, denn Gott ist immanent und gleichzeitig transzendent. Das ist das mystische Paradox.
Er ist somit nicht nur „Schöpfergott“, sondern der unendliche Raum sowie die Materie darin. Er ist überall und als sichtbar gewordene Materie permanent in der Veränderung.
„Gott ist eine unendliche Sphäre, deren Mitte überall und deren Umkreis nirgends ist.“
– Zitat aus dem „Liber XXIV philosophorum“
In der relativen (bedingten) Welt sind alle Wesen aus Gott hervorgegangen. Alle Wesen ruhen in Gott, sie bestehen in Gott, sie kehren zu Gott zurück.
Der Avatar
Gott manifestierte sich z. B. als Jesus, Chaitanya, Krishna, Buddha in der Welt. Jeder Mensch ist letztlich Gott in menschlicher Gestalt und jeder ist in der Essenz eins mit Gott. Der Avatar ist Gott in Menschengestalt, der menschgewordene Gott.
Erfahrbare Göttlichkeit
Eines der größten Mysterien ist nicht etwas, das man „glauben“ muss. Im christlichen Denken z. B. ist die Begrenzung durch Demut gegeben. „Gott“, so heißt es, „kann niemand erfahren, man kann nur an ihn glauben.“ Das Erfahrenwollen des Transzendenten ist damit schon zu viel, wie ein Affront gegen das Göttliche selbst, das so groß ist, dass es ohnehin niemand erfahren kann.
Dieses Denken reduziert die eigene Göttlichkeit, die durchaus erfahrbar ist. Das Erleben, die Liebe selbst zu sein, das Verschmelzen mit der eigenen Überseele, die Ego-Transzendenz – all das ist sowohl in der Psychonautik wie auch in der spirituellen Praxis erfahrbar. Nicht zuletzt kann ein Kundalini-Erwachen dadurch ausgelöst werden.
Das Numinose in sich selbst zu erleben, ist das größte Geschenk, dass ein inkarniertes Wesen erfahren darf.
Resümee im lyrischen Bild: Appell an dich
Wir wurden gelehrt, nach einer höheren Macht zu suchen und uns ihr unterzuordnen. Jenseits von uns. In fernen Himmeln, in heiligen Schriften, in den Worten Anderer. Diese jahrtausendealte Lehre hat eine spirituelle Ferne kultiviert, eine Entfremdung von unserer ureigenen Essenz. Es hat uns zu Bittstellern gemacht, nicht zu Schöpfern.
Dabei war die Essenz immer schon da. In dir. Nicht als Abbild, sondern als Quell. Die Suche endet, sobald wir die Blickrichtung ändern. Von der äußeren Anbetung hin zur inneren Anerkennung.
Gott ist kein Fremdorganismus. Gott ist das Atmen deiner Zellen. Das Fließen deiner Gedanken. Das Unermessliche in deiner Seele. Es ist die unteilbare Einheit, die sich in dir manifestiert. Die höchste Schwingung, die durch dich pulsierend in die Welt strömt.
Die spirituelle Revolution beginnt im Inneren. Der Schöpfer ist das Geschöpf. Und das Geschöpf ist der Schöpfer.
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