Unter einem Posting mit dem Spruch „Du brauchst keine Religion, um Moral zu besitzen. Wenn du zwischen richtig und falsch nicht unterscheiden kannst, fehlt es dir an Empathie und nicht an Religion.“ schrieb jemand folgenden Kommentar:
„Das ist wieder eine Bewertung!“
Abgesehen davon, dass natürlich jeder seine Meinung kundgeben darf, insofern sie nicht beleidigend oder destruktiv ist, ist dem Kommentator nicht bewusst gewesen, dass er, indem er jemandem sagt, er solle nicht bewerten, in just diesem Moment selber „bewertet“.
Es ist dies ein für mich „leidiges“ Verhalten aus der Populäresoterik, das in vielen anderen Varianten und Bereichen immer wieder vorkommt.
In der Populäresoterik gibt es schon seit langem Diktionen (Sprechhaltungen), die ich für obsolet halte …
Die Unwörter sind z. B. „brauchen“, „müssen“, „Verstand“ und alle Verneinungen … Da erhitzen sich häufig die Gemüter … Nein, nein, wer einen Partner „braucht“, im Gottes Willen, der ist ja „abhängig“ und hat „freie Liebe“ noch nicht verstanden, dabei braucht man ja auch Essen und Kleidung … Am Wort „brauchen“ ist grundsätzlich nur soviel „schlimm“, wie man selbst (oder jemand anderer) damit verbindet. Das heißt, wer z. B. das Wort „brauchen“ gegenüber einem Partner ausspricht, muss noch lange nicht abhängig oder bedürftig sein. Wenn er sagt: „Ich brauche dich“ kann es auch höchster Ausdruck seiner Liebe sein, kann Verbundenheit und Nähe ausdrücken. Andersherum kann jemand, der das Wort „brauchen“ einem Partner gegenüber nie ausspricht z. B. sehr wohl bedürftig und in einer Weise abhängig sein, als könne er ohne diese Person nicht mehr leben usw. … Wie gesagt, das Wort „bauchen“ an sich ist zunächst neutral, deswegen hat m. E. von außen niemand heranzutreten und die Wortwahl zu kritisieren – und damit u. U. die ganze Person.
Wer meint, etwas zu „müssen“, ui, ui, ui, auch ganz schlimm, wo man doch dürfen oder wenn überhaupt nur „sollen“ darf … Dabei muss ich mich beim Autofahren auch anschnallen, da gibt’s kein Dürfen oder Sollen. Wie beim Sterben. Das muss ich auch, wenngleich in dem Fall Dürfen/Sollen wirklich schön wären …
Und wer eine Verneinung platziert, wie, ich/man ist „gegen“ etwas, um Gottes willen, da wird ja das „Liebesprinzip“ verletzt, weil man in der Populäresoterik stets nur inkludieren und „für etwas“ sein soll, dabei gibt’s gegen „rechts überholen“ z. B. kein Dafür, da wenn, dann nur Unfälle, ergo kann man nur dagegen sein. Sowie ein ethisch empfindender Mensch z. B. nur dagegen sein kann, dass Tiere gequält werden.
Aus diesen Beispielen wird ersichtlich, wie widersprüchlich dieses Diktionen sind. Ich befürworte natürlich auch keine Anti-Haltung, nur erzwingen die Pro-Haltungen aus der Populäresoterik nachgerade diese Beispiele, weil sie diese im Denken, Meinen und Sagen exkludieren – und insofern selbst bewerten. Das ist die Krux dabei. Eine einseitige Sprechhaltung kann niemals allen Situationen, allen Themen, Seins- und Weltzuständen, gerecht werden, weswegen ich es für sinnvoll halte, sich grundsätzlich nicht in diese Denkschemata hineinzubegeben und jede Situation, jedes Thema, jeden Menschen gemäß der momentan vorliegenden Gegebenheiten individuell zu betrachten, gleichsam aus einer neutralen Metaebene heraus. Das mag kompliziert klingen, doch es ist einfach. Unbelastet sind nämlich jene Menschen, die sich nie in die Diktionen der Populäresoterik hinein begeben haben, denen diese Sprechhaltung gänzlich fremd ist, denn diese „bewerten“ den Sprachausdruck anderer Menschen tatsächlich nicht.
Zum Begriff:
„Populäresoterik“ oder „Low-Level-Esoterik“ sind von mir benutzte/geprägte Begriffe, wenngleich ich natürlich nicht für mich vereinnahmen kann, dass nicht schon jemand vor mir den Begriff Populäresoterik gebraucht hat.
Als Populäresoterik oder „Low-Level-Esoterik“ bezeichne ich alles, was z. B. in der spirituellen Szene eher den Markt als die Seelen bedient. Es ist alles, was die Seligkeit relativ billig verkauft, wie „Du musst nur richtig wünschen“ etc. …
Auch richte ich mich dezidiert gegen einen Ultrapositivismus, gegen „Schönfärberei“, gegen „Zucker-Watte-Spiritualität“ und Bienchen-und-Blümchen-Esoterik. Ich richte mich aber grundsätzlich nicht gegen Positives Denken … Die kommerzielle Esoterik antwortet auf verschiedene und komplexe Sachverhalte/Probleme mit einfachen Lösungen, die teils jeden einigermaßen intelligenten Menschen verspotten.
Die oben genannten Diktionen, wie „Du sollst nicht bewerten“ etc. aus der Populäresoterik wirken eingrenzend und verflachend, verhindern „Denkräume“ und schaffen sehr häufig Missstimmung und Streit, dabei sind sie vollkommen überflüssig.
Zur Populäresoterik und ihren Auswüchsen habe ich ausführlichst in folgenden Artikeln berichtet:
Ich halte es für wichtig, hier ein Bewusstsein zu schaffen, weswegen es mich freuen würde, wenn ihr den Beitrag z. B in Social Media teilt. Teilen-Buttons untenstehend.
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