Kurzinhalt: Philip K. Dicks Electric Dreams ist eine Science-Fiction-Serie, bestehend aus zehn Teilen. Jede Folge basiert auf den Kurzgeschichten des bekannten US-amerikanischen Science-Fiction-Autors Philip K. Dick (1928 – 1982). So ist jede Folge in sich abgeschlossen und erzählt eine eigene Geschichte. Thematisiert werden z. B. die verschiedenartigen Auswirkungen von Technik, Medien, Gendesign auf die Gesellschaft, sowie die Verschmelzung Mensch-Maschine zum Cyborg, zum kybernetischen Organismus. Eine Folge widmet sich der Telepathie, eine weitere dem Übergang vom Leben in den Tod und eine andere der Übernahme von Menschen durch Aliens … Zumeist klingt immer etwas „Orwell“ an, wodurch die filmische Umsetzung der Kurzgeschichten erstaunlich aktuell ist. Bekannte Darsteller sind unter anderem Steve Buscemi, Greg Kinnear, Anna Paquin.
Nach „The Man in the High Castle“, einer Amazon-Serie, die ebenfalls auf Philip K. Dick beruht, folgt nun mit Electric Dreams erneut eine Amazon-Produktion, die sich wiederum auf Philip K. Dick bezieht. Verfilmt wurde Philip K. Dick ja schon sehr oft, man denke an Blade Runner, Total Recall oder Minority Report. Amazon mag mit Electric Dreams entweder Gespür oder Geschäftssinn beweisen, vielleicht auch einfach nur auf „das gute Pferd“ Philip K. Dick setzen, doch ist Electric Dreams weder etwas Aufgewärmtes noch Nachgeschobenes, auch nicht „dasselbe in Grün“, sondern etwas völlig Eigenständiges.
Je nach Story und Figurenperspektive ist das Setting anders. Mal wird eine beklemmende Atmosphäre innerhalb eines totalitären Staates nachgezeichnet, mal ist es eine High-School-Teenagerromanze im Sommer, dann wiederum blickt man auf eine kühle, dunkle Kolonie auf einem Exoplaneten …
Man kann die Serie wie gute Science Fiction genießen, doch wer Philip K. Dicks Biographie kennt, bzw. mit offenen Augen durch die Welt geht, dem wird sich die zweite Bedeutungsebene in den Folgen/Kurzgeschichten zweifelsohne erschließen.
Über Aldous Huxley, Autor von „Schöne neue Welt“, (Amazon: Westworld), ist bekannt, dass er sich für Spiritualität, Parapsychologie und mystische Philosophie interessierte. Auch experimentierte er mit der bewusstseinserweiternden Substanz Meskalin, worauf er die berühmten Essays „The Doors of Perception“ und „Haeven and Hell“ verfasste. (Fußnote: Von „The Doors of Perception“ ließ sich wiederum Jim Morrison zum Bandnamen „The Doors“ inspirieren.)
Auch Philip K. Dick interessierte sich für Metaphysik, Philosophie und Gnostik. Und für LSD. In den siebziger Jahren hatte er aufgrund einer psychotropen Substanz Visionen, die er in der VALIS-Trilogie verarbeitete, siehe „Die göttliche Invasion“. In diesem mit gnostischen Motiven durchsetzten Text nimmt er „die Matrix“ schon vorweg: Die uns umgebene Welt ist ein künstliches, suppressives Gebilde, das es zu durchdringen gilt, um die Wahrheit zu erkennen. Auch ließen sich die Regisseurinnen Lana und Lilly Wachowski von seinen Ideen zur Matrixtrilogie beeinflussen.
Aldous Huxley und Philip K. Dick schrieben daher nicht nur spekulative, sondern visionäre Science-Fiction.
Was bei Electric Dreams sehr deutlich zutage tritt, sind die in die Zukunft projizierten Parabeln auf die Gegenwart. Natürlich – wie sooft bei Science Fiction – werden Probleme antizipiert, die es noch nicht gibt. Das ist einer der Gründe, warum Literaturprofessoren das Genre stiefmütterlich behandeln, bzw. so gut wie jedes Germanistikstudium einen weiten Bogen darum macht. Doch abgesehen davon sind die Entwürfe einer möglichen Zukunft, das Durchspielen von verschiedenen Szenarien, vor allem bei Philip K. Dick keineswegs Ideenkarussell – kein erwartungsfrohes Abfeiern einer möglichen Zukunft. Blickt man z. B. auf Captain Future, Star Trek/Raumschiff Enterprise, so ist Science Fiction oft ein zukunftsdevotes Technik-Spektakel, aufgeladen mit Spielereien und Gadgets wie „Laserkanonen“, „Holodeck“, „Künstliche Intelligenz“, „Warp-Antrieb“ und „Beam me up“, all dies eingebettet in verheißungsvolle Abenteuer „in fremden Galaxien“, wo insbesondere Captain Kirk (William Shatner) oft kein größeres Problem hatte, als der nächsten Femme Fatale zu entkommen. Oder zu erliegen.
Nicht so bei Philip K. Dick. Er ist weder Herbeisehner noch Schrift-Lakai einer mit Technik und (Männer)-Fantasien überladenen Zukunft, nein, er schaut ganz genau hin, ist fokussiert und „sehend“, und dann beschreibt er einen denkbaren, möglichen Zukunfts-Zustand. Diesen einfühlenden Blick legt er sowohl in die Zukunft wie auch in die Figuren. Das erst, die Möglichkeit, dass eine Zukunft tatsächlich so sein könnte, macht Philip K. Dick so spannend.
Auch in Electric Dreams ist das zu spüren. Egal, welche Perspektive er einnimmt, sei es die Perspektive eines kleinen Jungen, eines Mädchens, einer Ehefrau, eines Detektivs, einer Telepathin, eines Arbeiters, immer verknüpft er eine mögliche Zukunft anhand eines absolut normalen Lebens, anhand einer Figur, wie man sie vielleicht aus der Gegenwart im realen Leben kennt. Dann kommen seine „Themen“ hinzu, totale Kontrolle, Auswirkung der Technik und Medien auf das Leben, Mind Control, Transhumanismus, Realitätsverzerrungen, -überlagerungen, Erinnerungsimplantate, Telepathie usw. So ist in vielen seinen Werken stets eine große Intensität zu spüren.
Je nach Story geht es in Electric Dreams ans Eingemachte, ans Herz oder an die Nieren. Die Serie zielt nicht unbedingt auf „feel-good“ ab, sondern auf „think about“. Im besten Sinn hält sie der Gegenwart einen unbarmherzigen Spiegel vor.
Mein Fazit: Fünf von fünf Sternen für eine anspruchsvolle Serien-Anthologie, die Folge um Folge mit Intelligenz, Weitsicht, Menschenkenntnis und Intensität besticht, und die eine mögliche Zukunft entwirft, die von der gegenwärtigen Realität nicht mehr allzuweit entfernt ist. Vor allem die Folgen „Autofac“, „Fosters neue Welt“ und „Tötet alle anderen!“ sind verblüffend aktuell.
Die Serie kann mit Klick auf das Cover gestreamt werden
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