Gehobene Ausdrücke wie Paradigmenwechsel werden in spirituellen Kreisen ganz gerne für die derzeitige Entwicklung der Menschen gebraucht, ohne wirklich etwas Konkretes damit zu sagen. Die Welt verändert sich ständig, das ist klar. Was aber ist so besonders an unserer Zeit, dass viele von gewaltigen und bedeutenden Umbrüchen reden?
Nun, das Wort Paradigma bezeichnet eine Geisteshaltung oder auch eine Sammlung von Glaubenssätzen, die zu einer bestimmten Weltsicht führen. Genau diese Perspektive der Menschen auf das Leben soll momentan radikal einen Wandel unterzogen sein.
Da sich das in den Köpfen der Leute abspielt, ist eine Veränderung schwer messbar oder beobachtbar, trotzdem haben einige Wissenschaftler und auch spirituelle Lehrer ganz interessante Thesen dazu.
Stimmen aus verschiedenen Richtungen
Der amerikanische Hobbyforscher Ian Xel Lungold hat sich selbst intensiv mit den Zeitqualitäten des Mayakalenders beschäftigt und die Charakteristik der Zeit nach 2012 folgendermaßen beschrieben: „Die individuelle Ethik wird bedeutsamer als alte Moralregeln, die durch Traditionen oder Organisationen vorgeschrieben sind. Das heißt, jeder Einzelne wird für sich selbst entscheiden, ganz nach seinem ethischen Empfinden. Diese Urteilsfähigkeit wird jeder individuell entwickeln und das wird moralische Regeln, vielleicht sogar Gesetzte ersetzen.“ Das klingt zunächst etwas befremdlich, doch ich denke, dass wir selbst in unserem Inneren alle sehr ähnlich sind und daher zu sehr vielen gemeinsamen Konklusionen kommen werden. Wir brauchen also keine Vorschriften mehr um „gut“ zu handeln, sondern vielmehr einen Verlust von Misstrauen anderen gegenüber, die das eventuell nicht tun. Eine Art Gottesvertrauen, dass sich alles richtig fügen wird und seine Richtigkeit hat, wird sich nach und nach etablieren, vor allem, wenn wir weniger an andere denken.
Ähnliche Aussagen trifft der deutsche Forscher Dieter Broers wenn er von einer Evolution des Bewusstseins spricht. Seine Forschungen beschäftigen sich mit der Schwächung des Erdmagnetfeldes und dessen Auswirkungen auf den menschlichen Geist. Die Ergebnisse seiner jahrzehntelangen Untersuchungen weisen darauf hin, dass wir zunehmend intuitiver und empathischer werden und die Ratio immer unbedeutsamer wird. Ein Umstand, den allerdings auch Gehirnforscher und Kommunikationswissenschaftler unterstützen, weil immer öfter bewiesen wird, dass rationale Aktivitäten weniger als zwanzig Prozent unseres Lebens ausmachen. Das heißt, es wird uns immer bewusster, dass wir weniger mit dem Verstand kontrollieren, als vielmehr mit unseren unbewussten Gedanken und mit Emotionen lenken.
Was passiert denn bei uns gerade in der Welt?
Als globale Gesellschaft haben wir heute auch einen Höhepunkt erreicht, was weltumspannende Organisationen und Gesetze angeht. War es vor fünfzig Jahren noch erstrebenswert sich international zusammen zu schließen, so erleben wir gerade einen Trend zur Loslösung.
Das Internet und digitale Medien geben dem Einzelnen so viele Möglichkeiten Kontakte zu knüpfen und an Informationen zu gelangen, dass große Strukturen uninteressanter werden. Hingegen werden Missbrauch und Korruption schneller durchschaut und angeprangert. Vereine, politische Parteien und auch religiöse Organisationen verlieren aber auch deshalb rapide an Mitgliedern, weil sich ihre Dogmatik nicht mehr mit dem modernen Freiheitsbedürfnis im Denken und der Individualität im Lebensstil vereinbaren lässt.
Wir erleben gerade eine Neuorientierung hin zu spontanen und persönlichen Beziehungen, zu Initiativen auf zwischenmenschlicher Basis. Es entstehen viele neue kleine Gruppierungen, die eine schwer überschaubare Landschaft zeichnen, wie zum Beispiel die Gründung diverser Privatschulen, Piratenparteien oder Initiativen für Volksbegehren.
Natürlich waren diese großen Strukturen einfacher zu überblicken, aber sie haben das Bedürfnis nach Individualität und eigenem Tatendrang sehr lange unterdrückt. Der Wunsch nach Selbstbestimmung und Vielfalt wird also gerade immer größer und an vielen Orten in sehr kleinen Projekten schon gelebt.
Die Zeichen sind deutlich
Der Wunsch nach innerer Erfüllung wird zentraler, und ein Anstieg bei Krankheiten wie Burnout und Diabetes weisen uns deutlich darauf hin. Denn was bringt uns materieller Wohlstand und Wissensanhäufung, wenn wir emotional oder körperlich leiden? Unsere Gedanken rasen wie wilde Pferde und verursachen Schlaflosigkeit und Stress ohne Ende. Das sind die neuen Herausforderungen, die weder Schule noch Schulmedizin bislang lösen konnten, ganz im Gegenteil, gibt man ihnen sogar teilweise Schuld daran.
Auch Autoritäten wie Ärzte, Politiker und Wissenschaftler stehen zunehmend auf dem Prüfstand, wenn es darum geht, ob sie wirkliche Hilfestellung anbieten oder nicht. Diplome und Errungenschaften von sogenannten Experten sagen wenig darüber aus, ob sie für die persönliche Situation tatsächlich hilfreich sind. Denn die diversen Zertifikate, Diplome und Zusatzausbildungen erleben gerade ohnehin eine Inflation, werden bald wertlos werden wie Banknoten zur Zeit der Geldentwertung.
Es wird jedem Einzelnen nichts anderes übrig bleiben, als selbst entscheiden zu lernen, nach ganz subjektiven Kriterien. Denn das Überangebot an sogenannten Experten, an Behandlungsmethoden und natürlich an Produkten, macht es schwer, zu einer Entscheidung zu gelangen.
Diese gesundheitlichen Krisen sind also eigentlich eine Phase des Umdenkens, weg von dem Versuch, alles rational kontrollieren zu müssen und hin zur intuitiven, subjektiven, inneren Führung.
Warum es das Wort Neoterik braucht
In der spirituellen und alternativen Szene hat sich auch ein Stilbruch vollzogen, der eine neue, klarere Qualität hervorgebracht hat. Diese noch relativ kleine, freidenkende Minderheit wird sehr bald lauter werden und alte Selbstbeweihräucherungen und Ego-Märchen ablösen. In Zukunft interessieren uns keine ausladenden Geschichten mehr über andere Welten oder Geheimlehren und schon gar kein magischer Hokuspokus, um jemand anderen zu ändern.
Stattdessen werden einfache Praktiken und Wege zur eigenen Klarheit gelehrt, die jedem Einzelnen die Möglichkeit geben, Antworten in sich selbst zu finden.
Das Wort Esoterik könnte eigentlich genau das beschreiben, es wurde leider häufig anders verstanden, nämlich vielmehr als Einweihung in ein elitäres oder geheimes Wissen. Genau dieser Wissensdurst wird uns aber angesichts der Informationsflut vergehen und wir dürsten nach andere Wegen, um unsere Wahrheit zu begreifen.
Die einzige spirituelle Arbeit wird also darin bestehen, in sich selbst hinein zu hören und diesen Innenfokus zu stärken. Informationen von Außen werden belanglos, außer sie geben einen Impuls eine innere Wahrheit für sich selbst zu entdecken. Verstehen bekommt vielmehr die Qualität der Nachvollziehbarkeit und Stimmigkeit mit der eigenen Intuition. Und so bewegen sich gerade Spirituelle weg vom Kopfwissen, hin zum inneren Verstehen, zum „Denken mit dem Herzen und Fühlen mit dem Kopf“.
Begriffsbestimmung: Was ist Neoterik?
Aufklärung und Selbstbestimmung ist ein stetiger Prozess
Das mag vielleicht klingen, als ob wir alle ein wenig autistisch wären, doch ich glaube viel eher, dass sich einfach nur unsere Wertigkeiten verschieben. Angesichts der derzeitigen Informationsmassen müssen wir die Fähigkeit entwickeln, oder das Bewusstsein, aus unserem Inneren heraus zu entscheiden, was wir für wahr halten und welchen Weg wir gehen wollen. Ob wir diese Fähigkeit dann Intuition, Herzensstimme, Bauchgefühl, Innere Wahrheit, Höheres Selbst oder Gott nennen, spielt gar keine Rolle und ist einfach nur Geschmackssache.
Im Prinzip erleben wir die Fortsetzung der Zeit der Aufklärung aus dem 18. Jh., wo Menschen nicht mehr auf Autoritäten hören, sondern endlich selbst Zugang zu Wissen und zu Gott leben dürfen. Möglicherweise werden wir auch erkennen, dass die beiden sich sehr ähnlich sind, sobald wir nicht mehr im Außen danach suchen.
Wie soll das weiter gehen?
Einen interessanten und plausiblen Ausblick auf gesellschaftliche Veränderungen, die anstehen, gibt der Philosoph Richard David Precht. Er hält es sogar für möglich, dass Werte wie Arbeit, Leistung und Bezahlung zunehmend verschwinden werden. Begründet wird dies auch mit der digitalen Entwicklung, die den Menschen in vielen Arbeitsbereichen überflüssig macht und der sich neue Wirkungsfelder suchen wird.
Andere Philosophen weisen auf alte, brotlose Werte wie Ehre, Würde und Respekt hin, und sie werden sogar heute schon erfolgreich in der therapeutischen Arbeit eingesetzt. Der Mensch taugt also nicht zur Maschine, sondern ist vielmehr ein lebendiges und schöpferisches Wesen. Dazu benötigt er sowohl Integrität in Entscheidungen, als auch im Umgang mit anderen Lebewesen.
Die Rolle der hochwertigen Spiritualität nimmt zu
Die Spiritualität gewinnt insofern zunehmend an Bedeutung, weil sie sich immer schon mit dieser inneren Anbindung des Einzelnen an die Welt beschäftigt hat. Doch auch bei dem inflationären Angebot an esoterischen Techniken und Methoden wird sich die Spreu vom Weizen trennen. Nicht alle können den modernen Menschen unterstützen. Wahrscheinlich werden wir in den nächsten Jahren erleben, wie nur wenige spirituelle Ideen tatsächlich von Bestand sind und sehr einfache Techniken wie Meditation werden sich sogar in herkömmlichen Schulen etablieren.
Simplizität und Klarheit werden komplizierten Theorien weichen und die Möglichkeiten jedes Individuums nehmen zu. So kann sich jeder seiner Heilkräfte bewusst werden und Empathie entwickeln, vielleicht sogar weitere Fähigkeiten wie Telepathie, die bislang als übersinnlich galten. Dem Verstand wird nur mehr die Position eines Werkzeuges, ähnlich eines Laptops, zugewiesen und Wissenstransfer von anderen Quellen wird nur mehr sehr selektiv genutzt.
Aber nicht nur Spiritualität wird den Weg weisen, denn in anderen Bereichen wie Sport und Pädagogik werden Mentaltraining und Entspannungstechniken weiter entwickelt und gelehrt. Diese zielen genau auf diese Notwendigkeit ab, die Ratio zu moderieren und das eigene Selbst in den Mittelpunkt des Erlebens zu stellen.
Unsere Chance in dieser Entwicklung
Die Wahrnehmung und das Verständnis für das Leben werden jedem immer klarer werden und bedürfen weniger rationaler Erklärung. Nur der Umgang mit den eigenen Gedanken und Emotionen wird vermehrt trainiert werden, um diese neue Freiheit zu entdecken und sich unabhängig selbst zu bestimmen. Dies wird jungen Menschen wesentlich leichter fallen, solange sie sich noch ihr naives und klares Denken bewahrt haben. Es könnte also durchaus so kommen, dass wir sehr junge, spirituelle Lehrer als Anführer sehen. Viel wichtiger wird jedoch sein, die Weisheit der eigenen Kinder zu schätzen und ihr klares Denken nicht länger verbiegen zu wollen. Wir wollen also die Selbstständigkeit und Überlebensfähigkeit der jungen Menschen stärken, indem wir sie nicht mehr auf Leiden konditionieren, sondern ihren natürlichen Drang nach Leichtigkeit und Freude unterstützen.
Wie bei jeder Veränderung liegt es an der älteren Generation, sich zurückzunehmen und inspirieren zu lassen von den Visionen der Jungen.
Autorin: Susanna Belloni
Susanna Belloni, geb. 1972 in Wien, lebt als spirituelle Lehrerin und medialer Coach im schweizer Mittelland. Ihr früherer Background als Mathematikerin und Internetexperte lässt sie eigene und nüchterne Blicke auf das Spirituelle werfen, sowie auch Verbindungen zu Wissenschaften zu knüpfen. Seit einigen Jahren schreibt sie darüber in ihrem spirituellen Blog, der eine sehr große Bandbreite an Themen behandelt. Besonders intensiv beschäftigte sie sich mit der Entwicklung von Medialität und übersinnlichen Wahrnehmungen. Dabei ist es ihr ein Anliegen, mit veschleiernden Mythen der Esoterik aufzuräumen und stattdessen das Potential jedes Menschen klarer zu verstehen und besser anwendbar zu machen.
Website: www.susannabelloni.ch
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Das klingt sehr interessant und gefällt mir gut. Bin gespannt, wie sich die Sache entwickelt.
Danke für all die super interessanten Artikel:-)))))
Lieber Volkmar, liebe Jolanda! 🙂
Dieses Lob gebe ich gerne an Susanna Belloni weiter.
Ich grüße euch,
Tanja